Du Wald

Mit wieviel Stimmen fängst du mich

Mit wieviel Farben tränkst du mich

Mit wieviel Stille birgst du mich

Mit wieviel Düften lockst du mich

Mit wieviel Formen rührst du mich

Wie reichbeschenkt entläßt du mich

Maria Grünwald
Von Wald, Kohlen und Eisen

Schöne Worte fand Maria Grünwald für ihr Gedicht. Wie gut, dass wir in unserer Umgebung noch so viel Wald haben.
Statistisch gesehen besteht der Anteil der Waldfläche an der gesamten Stadt- oder Gemeindefläche
in Wipperfürth 32 %, in Marienheide 45 % und in Kierspe sogar 47,4 %.
Das war nicht immer so.
Nach einer Statistik aus dem Jahre 1874 gab es im Landkreis Altena zwar 55 % vom gesamten Kreisgebiet ausgewiesene Waldfläche, aber nur 5,9 % davon war Hochwald. 15,2 % des gesamten Waldfläche war „Gutes Schlagholz" und 30,5 % wurde als „geringes Schlagholz" bezeichnet. 48,4 % aber wurde als „Holzleer, Strauchwerk, Heide" zusammengefasst. Dieses waren ehemalige Wälder, deren Bewuchs dem Raubbau zum Opfer gefallen waren. Den Anblick, den die kahlen Höhen und Flure damals boten, können wir uns kaum vorstellen.
Wie kam es dazu?
Nachhaltigkeit - das war damals schon kein Fremdwort - wurde zwar angestrebt, aber nicht erreicht. Sogar wurde schon jahrhundertelang dagegen verstoßen. Die ursprünglich großen Wälder überwiegend aus Buchen und Eichen waren durch Übernutzung zu Niederwäldern oder Strauchwerk verkommen.
Die zahlreicher werdende Bevölkerung und besonders die aufstrebenden Handwerk- und Industriebetriebe brauchten immer mehr Holz. Als Bauholz, Brennholz für Haushalt und Gewerbe, Zaunholz. Die meisten Bäume aber dienten als Kohlenholz zum Brennen von Holzkohlen.
Um einen „Hauberg" nachhaltig zu bewirtschaften, sollten die Bäume (Eichen, Buchen, Birken) ausreichende Zeit zum Wachsen bekommen. 30 Jahre sind optimal, es funktioniert aber auch mit einem 20jährigen Zyklus. Im klassischen Hauberg wurden die Bäume oft schon nach 16 Jahren „geerntet", also auf den „Stock gesetzt". Den Wald teilten die Haubergsgenossen, die Waldbesitzer in einzelne Felder auf. In jedem Jahr wurden die Bäume von einem Feld geschlagen. Früher wurden vorher von den zu schlagenden Bäumen die Rinde abgeschält. Diese ergaben die Lohe für die Gerbereien. Die geschlagenen Stämme wurden in Meterstücke zerteilt und ergaben so das richtige Holz für die Holzkohlenmeiler. Im abgeernteten Feld mussten einige Samenbäume stehen bleiben. Im klassischen Hauberg wurde nun die Gras-Kraut- und Zwergstrauch-Vegetation zwischen den Baumstümpfen abgetragen. Dazu wurde die obere Bodenschicht aufgehakt und die Gras- und Krautsoden getrocknet und von anhaftender Erde befreit. Bei günstigem Wetter und möglichst Windstille wurden die aufgehäuften „Brasen" abgebrannt. Die dadurch entstehende Asche bildete hervorragende Düngung für die neue Vegetation. Zunächst wurde Buchweizen oder Winterroggen ausgesät. Im jungen aschegedüngten Boden gedieh das trefflich genannte „Haubergskorn" prächtig. Der Buchweizen musste, wenn er im Herbst geerntet werden sollte, schon bis Anfang Juni ausgesät worden sein. Der Winterroggen dagegen wurde erst im Spätsommer gesät, um dann als Jungpflanze den Winter zu überstehen und im nachfolgenden Frühjahr Halme mit Blüten und Frucht zu entwickeln. Während das Getreide heranreifte, trieben schon die auf den Stock gesetzten Buchen, Eichen und Birken neu aus. In den ersten Jahren ließ man ihnen Zeit und Ruhe und Schonung vor Wildverbiss. Nach 5 bis 7 Jahren wurde der junge Wald als Viehhude genutzt. Schafe und Kühe durften die Flächen beweiden. Dazu bedurfte es der Aufsicht eines Hirten, der das Vieh nur auf die als Weide geeigneteten Flächen treiben durfte. So entstand in zwei Jahrzehnten ein gesunder, schlagreifer Haubergswald.

Dieses System wurde in größter Perfektion im Siegerland umgesetzt. Auch in unserer Heimat war die Herbergswirtschaft nicht unbekannt, wurde allerdings nicht so konsequent durchgesetzt. Wie im Siegerland war unsere Heimat über Jahrhunderte eine Hochburg der Eisen- und Metallverarbeitung. Das Eisengewerbe war vor der Einführung der Steinkohle der größte Holzkohle-Konsument. Die früheste Form der Verhüttung mit Wind- und Rennöfen, nachweisbar in unserem Gebiet ab dem 8. Jahrhundert, sowie die dazugehörigen Schmieden wurden mit Holzkohlen befeuert. Die Weiterentwicklung zu Schacht- und Masseöfen ab dem 13. Jahrhundert ergab eine deutlich höhere Ausbeute des Erzes, aber auch mit einem höheren Verbrauch an Holzkohlen. Als dann in den weiteren Jahrhunderten die Eisenverhüttung an Bedeutung verlor und man das Roheisen aus anderen Gebieten, wie dem Siegerland einführte, erblühte die weiterverabeitende Industrie. An den Wasserläufen wurden zahlreiche Breite-, Reck- und Stahlhämmer errichtet, sowie Drahtzieher und Sensenschmieden und weitere spezialisierte Betriebe, die ihre Feuer alle mit Holzkohlen betrieben. Holz und die daraus entstehenden Holzkohlen war das einzige in unmittelbarer Nähe und damit ohne aufwendige Transporte zur Verfügung stehende Brennmaterial.
Den Höhepunkt der Holzknappheit wurde mit der Weiterentwicklung des Schmiedeeisens zu Osemund- Stahls erreicht.


Quellen: „Bilder aus dem Hauberg" Landesforstverwaltung NRW 1995
Siegerländer Heimatkalender 1963 und1967,
Märkisches Jahrbuch II, 1997
„Kierspe - Wirtschaft - Kultur - Geschichte", Sparkasse Kierspe-Meinerzhagen 1994

Regina Marcus, im Juni 2009