Das alte Richterhaus in Rönsahl und die

Richterfamilie Von den Berken


Die Geschichte des ehrwürdigen Richterhauses, der „Alten Mosel“ und der damit verbundenen Richterfamilie Von den Berken beginnt mit einem gesell­schaftlichen Makel, nämlich einem Kind aus aus einer nicht ebenbürtigen Be­ziehung.

Auf dem ehemaligen Rittersitz Engstfeld bei Halver gab es ein seit 1493 nach­weisbares Adelsgeschlecht „Von Plettenberg“. Aus diesem, so wie es in dem von dem Autoren Eberhard Winkhaus im Jahre 1932 herausgegebenen Buch „Wir stammen aus Bauern- und Schmiedegeschlecht“, in welchem die Rönsahler Familien Voswinkel und Von den Berken behandelt werden, darge­stellt wird, entstammte der als Urvater der Familie Von den Berken genannte Friedrich von Engstfeld aus einer „nicht ebenbürtiger Ehe“ (was dem Status nach als unehelich gleichkam) eines Sprosses des Geschlechtes Von Pletten­berg. Dieser Friedrich von Engstfeld, genannt von den Bercken, wurde 1565 vom Herzog von Cleve zum Richter von Halver und Rönsahl ernannt. Sicher gebot es sein dadurch hoher gesellschaftlicher Rang und den damit verbunde­nen Wohlstand, sich von seiner „onechtschap“ (Unechtschaft) befreien zu las­sen. Dazu musste er sich beim damaligen Landesherren, dem Herzog Wil­helm von Cleve durch Zahlung eines Geldbetrages an den Rentmeister zu Al­tena freikaufen. Es war im 16. Jahrhundert kein gesellschaftliches Problem, unehelich geboren zu sein, sonst wäre es Friedrich verwehrt geblieben, das hohe Richteramt ausüben zu dürfen. Eher war es ein Problem, dass diese Per­sonen nicht erbberechtigt waren und ihr Erbteil dem Landesherren gehörte. Abhilfe dafür war der Freikauf.

Friedrich von Engstfeld genannt von den Bercken war verheiratet mit Eli­sabeth Bergfeld, die vermutlich aus einer angesehenen und wohlhabenden Reidemeisterfamilie stammte.

Der Sohn Johann Wilhelm von den Bercken wurde erst Schulmeister, dann aber von seinem Vater als Gerichtsschreiber in Halver eingesetzt. Ein Jahr vor dem Tode seines Vaters, im Jahr 1595 übernahm er dessen Richter­amt. Im Jahr 1611 wird er als Richter von Rönsahl bestätigt. Er heiratete die aus einer Rönsahler Familie stammende Catherina Strasser. Das Paar wohnte in Rönsahl, möglicherweise schon in dem Richterhaus, dessen Erbauungsjahr nicht bekannt ist. In seinem Testament vermachte Johann Wilhelm der Ge­meinde Rönsahl 50 Reichstaler zur Errichtung einer Kinderschule. Sowohl von ihm als auch von seiner Frau und seinem Vater Friedrich von Engstfeld existieren Ölgemälde, die ursprünglich im großen Saal des Richterhauses hin­gen. Von dem Paar sind vier Kinder bekannt: 3 Töchter und der Sohn, gebo­ren 1589 oder 1593, der wie der Vater Johann Wilhelm hieß. Dieser stu­dierte in Herborn Philosophie und wurde später an der Seite seines Vaters Gerichtsschreiber. Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1635 wurde er der Richter von Rönsahl. Johann Wilhelm erlebte die Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) und wurde zum Ende des Krieges zu einer Zahlung von 200 Talern als Zwangsanleihe an den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, Markgraf von Brandenburg, belangt. Dieses und die hohen Zuwendungen, die Johann Wilhelm 1636 zur Erneuerung der Kirche und zur Reparatur des durch den Krieg beschädigten Pfarrhauses, sowie im Jahre 1652 zur Anschaffung einer Orgel tätigte, zeugen vom Wohlstand der Familie. Johann Wilhelm von den Berken war sicherlich einer der größten Grundbesitzer von Rönsahl. Ihm gehörten das Haus „Das Isern“, jetzt vor dem Isern neben der Kirche, das „Pasch- oder Limpershaus“ (das ehemalige Cafe Haarhaus) und „Die Mosel“, das Richterhaus, samt dazugehörende Grundstücke, Gärten und Nebengebäude, dazu noch zahlreiche Äcker, Felder, Wiesen, Weiden und Wälder.

Aus der Ehe mit seiner Cousine Margarethe Beyinghaus stammten 5 Kinder: Der erstgeborene Sohn Ernst blieb unverheiratet und starb jung, Tochter Anna Catharina heiratete Nicolaus Voswinkel aus dem Rönsahler Geschlecht Voswinkel, Tochter Catharina Elisabeth heiratete ebenso wie ihre Schwester in die angesehene Familie Voswinkel ein, der Sohn Wilhelm und der Sohn Johann Heinrich, geboren 1637, welcher später das Richteramt in Rönsahl ausübte. Johann Heinrich erbte das Richterhaus, während sein Bruder Wil­helm das Pasch- oder Limpershaus und seine Schwester Catherina Elisabeth das Gut „Zum Isern“ bekamen.

Johann Heinrich heiratete 1675 Maria Agneta Cronenberg, eine Tochter vom Lüdenscheider Gerichtsschreiber und Bürgermeister Eberhard Cronenberg. Wie sein Vater war Johann Heinrich nicht nur seinem Heimatdorf Rönsahl sehr wohlwollend eingestellt, sondern er setzte auch sein in die Jahre gekom­menes Elternhaus, das Richterhaus „Zur Mosel“ in Stand. Dieses war ihm bei der Teilung des elterlichen Nachlasses im Jahre 1673 zugefallen. Diese Haus wird vermutlich schon vom ersten in Rönsahl ansässigen Richter aus der Familie, dem Friedrich von Engstfeld bewohnt worden sein, dass es nun im Jahre 1689 bereits „in die Jahre“ gekommen war. Am Haus über dem Ein­gang war das Wappen von Johann Heinrich und seiner Ehefrau Maria Agneta Cronenberg angebracht, welches sich heute noch an der Sparkasse befindet und unter Denkmalschutz steht. Ein weiterer Wappenstein soll bis zum Um­bau um das Jahr 1876 über dem hinteren Eingang des Richterhauses im Schlussstein des Gewölbes befunden haben. Sowohl Winkhaus als auch Ro­bert von den Berken beschrieben das Haus: „ Im Vorbau befand sich eine Eintrittshalle, von der früher Treppe in ein kleines Gefängnis geführt haben soll. Der Hauptraum des Gebäudes war der sogenannte „Saal“, in dem winter­tags die gerichtlichen Verhandlungen stattfanden (im Sommer fanden sie un­ter freiem Himmel an der Linde neben der Kirche statt). Hier schauten die richterlichen Vorfahren im Bilde von den Wänden auf den Richter und die Parteien. Hier ließ Johann Heinrich wohl auch die alte Tafel aufhängen, die in lateinischer Sprache von der richterlichen Vergangenheit des Geschlechtes verkündete (nach von Steinen soll sie in der Kirche gehangen haben).“

Im Jahre 1699 starb Johann Heinrich und sein erst 21 Jahre alter Sohn Ge­org Wilhelm wurde in das Richteramt berufen. Aus seiner ersten Ehe mit Catharina Magd. Amelia vom Heede stammen 4 Kinder. Zwei Kinder verstarben früh, ein Sohn wurde Feldwebel und verzog nach Unna. Der 1715 geborene Sohn Franz Friedrich Christian blieb in Rönsahl.

Von Georg Wilhelm und seinem Vater Johann Heinrich soll ein von ihnen ge­führtes Protokollbuch aus den Jahren von 1674 bis 1728 existieren, welches im Kirchenarchiv in Rönsahl aufbewahrt wird.

Nach dem Tode von Georg Wilhelm im Jahr 1732 wurde sein Nachfolger im Richteramt dessen Neffe Georg Hermann, der Sohn des nach Lüdenscheid gezogenen und dort als Bürgermeister und Richter angesehenen Johann Heinrich von den Bercken.

Im Jahre 1753 verlor Rönsahl seine eigene Gerichtsbarkeit, als die Justiz von der Verwaltung getrennt wurde und das Gericht dem Landgericht Lüden­scheid unterstellt wurde. Nun wurde im alten Richterhaus nicht mehr Recht gesprochen. Franz Friedrich Christian, der letzte in Rönsahl ansässige Sohn der Richterfamilie erlangte als Gemeindevorsteher und Kirchmeister Aner­kennung.

Schon im Jahre 1739 wurde per Kaufvertrag das Erbteil über das halbe Mose­ler Gut von dem nach Unna verzogenen Bruder von Franz Friedrich Christian für 500 Reichstaler gekauft. Im Kaufvertrag wird von der gemeinschaftlich bleibenden Verpflichtung an Cronenberg, sowie die Forderung aus dem Schuldschein an „ihre königliche Majestät“ festgehalten.

Während der Zeit, als Franz Friedrich Christian Gemeindevorsteher war, er­eignete sich der Brand im Jahr 1766, bei der die Kirche, die Schule und ein großer Teil der Wohnhäuser abbrannten.

Nach dem Tode von Franz Friedrich Christian wurde das Moseler Gut im Jah­re 1799 unter den Erben verlost. Der Scheffe Voswinkel wurde beauftragt, einen Teilungsplan in 3 Losen aufzustellen. Je Los wurden 6 Malterscheid Grundstücke aufgeführt. Das Haus wurde in zwei Teile (Ost und West) aufge­teilt, das 3. Los wurde aus dem Backhaus und dem Pferdestall und einer Aus­gleichszulage von 300 Rtl. gebildet. Der oberste Stock mit dem alten Gerichts­saal blieb gemeinschaftlich. Die drei erbberechtigten Parteien des Nachlasses waren 1. die Witwe von bereits 1796 verstorbenen Sohnes Peter Georg Wil­helm, 2. die mit dem Caspar Cramer zur Ballenbrügge verheiratete Tochter und 3. die Geschwister Schweißfurth in Ferndorf als Nachkommen der erstge­borenen Tochter Maria Katharina, die nach Ferndorf heiratete.

Caspar Cramer hatte bereits diesen Erbanteil von den Geschwister Schweiß­furth gekauft und erhielt somit 2/3 des Gutes. Auf den Liegenschaften bauter dieser die „Neue Mosel“ = Haus Elbers, Baujahr 1797 und später bauten seine Söhne das Haus Hölterhoff (auf dem Platz der jetzigen Tankstelle, 1995 ab­gerissen) und das Haus auf dem Roe = Haase.

Der ein halbes Jahr vor dem Vater verstorbene Sohn Peter Georg Wilhelm von den Berken war Landwirt, Gastwirt und Gemeindevorsteher und ver­heiratet mit Anne Gertraud Grüterich aus Nieder-Klüppelberg. Dieser eröff­nete in der alten Mosel eine Gastwirtschaft „Zur Mosel“, da er mit seinem Einkommen aus der Landwirtschaft nicht auskam. Sein letztgeborener Sohn Johann Friedrich Wilhelm, 1792 geboren, lernte in Elberfeld den Beruf des Konditors und übernahm mit seinem Schwager P. Chr. Bürger den elterlichen Besitz. Zusammen mit seiner Frau Amalie Wüster kam er zu neuem Wohlstand und Ansehen. Da Johann Friedrich Wilhelm bereits mit 57 Jahren verstarb und keiner der Söhne das elterliche Haus übernehmen konnte, verkaufte die Wittwe das alte Richterhaus 1872 an Wilhelm Haase. Alle Angehörigen der Familie von den Berken waren nun aus Rönsahl fortgezogen.


Das Wappen der Familie


Das Wappen stellt eine Birke auf einem Hügel umgeben von drei Sternen oder Rosen dar.

Der Wappenstein zusammen mit dem Wappen der Gattin von Johann Heinrich, der Maria Agneta Cronenberg, welcher ursprünglich über dem Eingang des Richterhauses angebracht war, blieb nach dem Abbruch des Gebäudes erhalten und befindet sich jetzt an der Sparkasse, welche auf dem Grundstück des Richterhauses erbaut wurde.

Die gleichen Wappen befinden sich auf der Südseite des Hauses Vor dem Isern 1.

Auf der im hinteren Altarraum der Servatiuskirche liegenden Grabplatte des Johann Wilhelm Von den Bercken, dem Jüngeren, ist das Wappen mit der Birke als Relief erkennbar.


Quellen:

Chronik „Das Geschlecht von den Berken“aus dem Buch Buch von Eberhard Winkhaus, „Wir stammen aus Bauern- und Schmiedegeschlecht“, von 1932 (Kopie)

Chronik „Über des Geschlecht von den Ber(c)ken“ von Robert von den Berken, von 1928 im Sonderabdruck aus „Süderland“ Heimatblatt (Kopie)

Süderländische Geschichtsquellen und Forschungen, Band 1, von E. Dösseler, 1954, Seiten 65 – 67

Kopie aus „Süderland“ 1928/9 u. 10

Abschriften aus Hypothekenbüchern von 1731, 1739, 1797-99 durch Josef Moddemann+


Regina Marcus, im Dezember 2014