Frühe Handelsstraße verband Rönsahl mit den Metropolen Europas

Wenn wir heutzutage eine Autobahn benutzen wollen, um ins Ruhrgebiet oder nach Frankfurt zu fahren, müssen wir, egal ob nach Osten auf die A45 oder nach Süden auf die A4, mindestens 15 km Fahrweg einrechnen, um diese zu erreichen. Vor 250 Jahren war dies anders; es gab zwar keine Autobahnen, aber ein stark befahrener Fern-Handelsweg, im Bergischen Land Zeitstrasse genannt, führte mitten durch Rönsahl. Nach Norden ging er über Halver und Hagen nach Dortmund und von dort weiter zur Nordsee. Nach Süden führte er über Marienheide und Much nach Siegburg und weiter nach Bonn über den Rhein bis hinunter nach Marseille am Mittelmeer.

In einer Reisebeschreibung von 1793 heißt es unter anderem: „Der Ort hat viele Paßage: besonders gehen alle Kohlen hindurch, welche ins Schwarzenbergische und Homburgische gefahren werden. Ob nun gleich die Wege daselbst sehr elend sind, so haben die 4 Wirthe doch ansehnlichen Zuspruch."

Den Güterverkehr von damals müssen wir uns so vorstellen: Alle Handelsware wurde mit 2 oder 4-rädrigen Karren oder Planwagen transportiert, die von Pferden oder Ochsen gezogen wurden. Hier im gebirgigen Land fuhren meist die kürzeren, wendigeren 2rädrigen Karren.

Bis zu 35 km schaffte ein Gespann am Tag bei guten Verkehrsverhältnissen. Diese waren zum einen, so wie auch heute, vom Wetter abhängig, zum anderen von der Wegeführung. Steile kurvige Steigungen hielten auf, ebenso matschige, aufgeweichte Untergründe. Denn die Straßen von früher waren keine gut ausgebauten Fahrwege. Es waren Wald- und Feldwege, die überwiegend über Bergkuppen und Höhenrücken führten und möglichst geradlinig dem Ziel entgegenstrebten. Dort wo ein Tal die Linie unterbrach, führte der Weg meist geradewegs steil hinunter, überquerte das Tal im rechten Winkel, wobei der Bach oder Fluss durch eine Fuhrt passiert wurde, um dann ebenso steil wieder auf die Höhe zu gelangen. In den steilen Abhängen entstanden durch ständiges Ausfahren und Abschwämmen des Bodens meist recht tiefe Hohlwege. Waren die Wege bis auf den Fels ausgefahren, wirkte der feste Grund wie eine natürliche Pflasterung.
Solch ein tief ausgefahrener Hohlweg führt vom Kamm des Wernscheides hinunter in unser Dorf. Ursprünglich war er noch viel tiefer, wurde er doch im Laufe der Zeit verfüllt und vor 3 Jahren mit einer Teerdecke versehen. Dennoch hat er von seinem urtümlichen Reiz nichts verloren: 5 Meter tief eingeschnitten, kühl im Sommer, windgeschützt im Winter. Bei der Mühle querte die Straße den Rönsahl-Bach, führte am Marktplatz und an der Kirche vorbei und verlief dann wie die heutige Kirchstraße und die K2 weiter. An der Rönsahler Wöste vorbei ging der Weg auf Oberheukelbach zu, in einem kleinen Waldstück neben der heutigen Straße findet man noch eindrucksvolle Reste eines doppelten Hohlweges. Hinter Oberheukelbach führte die Straße in Serpentinen ins Kerspetal hinunter und stieg auf der anderen Talseite wieder hinauf. Leider sind die noch gut erhaltenen Hohlwege im eingezäunten Talsperrengelände nicht zugänglich. An Niederhedfeld vorbei stebte die Straße über Schulten-Hedfeld und Hagebücherhöh auf Halver zu. Vorher kreuzte sie noch den von Köln nach Soest führenden Heerweg.

Ihre Bedeutung als Handelsstraße verlor die Zeitstraße, als zwischen 1788 und 1793 die Breckerfelder Straße gebaut wurde, die Hagen über Halver, Kierspe (Dorf) und Wildenkuhlen mit Meinerzhagen verband. Von nun an ging der Nord-Süd-Fernhandelsverkehr über diese befestigte bequeme, moderne Straße. 1810 schließlich wurde die Trasse der jetzigen B237 von Ohl nach Wildenkuhlen gebaut.

Der Ausbau der Straßen brachte nicht nur Wohlwollen. Es gab nicht Wenige, deren Existenz dadurch erheblich gefährdet wurde. So hatten bisher die zahlreichen Schmiede und Wagenbauer entlang der Fuhrwege ein gutes Auskommen durch die Reparaturen an den Fuhrwerken. Durch die schlechte Wegstrecke passierte so mancher Radbruch. Auch unter den Gastwirten sorgten die neuen Straßen für Unmut, besonders dann, wenn dadurch , dass eine entferntere parallel laufende Straße ausgebaut wurde, sich der Verkehr entsprechend verlagerte. So geschah es ja in Rönsahl, als die o.g. Breckerfelder Straße gebaut wurde. Die ehemalige Handelsstraße über den Wernscheid degradierte nun zum Nahverkehrsweg.


Über das Alter und die Bedeutung der West-Ost-Verbindung von Ohl nach Wildenkuhlen in Kierspe streiten sich die Geister.

Quellen:

„Vergessene Wege" von dr. Herbert Nicke, Martina-Galunder-Verlag
„Kierspe - Wirtschaft Kultur Geschichte" Ein Buch der Sparkasse Kierspe-Meinerzhagen
„Halver und Schalksmühle" von Alfred Jung
„Westphälisches Magazin zur Geogrphie, Historie und Statistik" - des ersten Bandes erstes
Stück - 1793

Regina Marcus, im Februar 2007